Stromknappheit Schweiz, was sind die Gründe dafür und wie ist die Versorgungssicherheit
Fünf Fragen – fünf Antworten.

Stromknappheit Schweiz, was sind die Gründe dafür und wie ist die Versorgungssicherheit?


In letzter Zeit liest man vermehrt über Stromknappheit. Was sind die Gründe dafür und wie steht es um die Versorgungssicherheit der Schweiz? Heute und morgen wir der Strom nicht ausgehen. Da kann ich Sie beruhigen. Auf der anderen Seite sehen wir aber für die Zukunft strukturelle Probleme.

Fünf Fragen an Michael Frank, Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen.


 
 

Das ist erstens damit verbunden, dass wir kein Stromabkommen haben und darunter letztendlich die Netzstabilität leidet, zweitens der Ausbau der Erneuerbaren wegen Blockaden nur sehr schleppend vorankommt, und wir drittens wegen der Dekarbonisierung massiv mehr Strom brauchen.

Wir benötigen mehr Strom für die Elektromobilität und für den Wärmebedarf. Last but not least sollten wir unsere Importabhängigkeit nicht steigern gegenüber heute. Alle diese vier Gründe tragen dazu bei, dass es doch etliche Fragenzeichen für die Zukunft gibt.

Mit dem Blick in die unmittelbare Zukunft – woher wird der Strom kommen? Aus der Steckdose. Das war gestern so und das wird morgen so sein. Ein Blick hinter die Steckdose lohnt sich: Die Stromwelt ist in einem massiven Wandel. Es ist wie ein Riesenpuzzle, es gibt nicht nur ein Teil, es gibt zahllose Teile.

Wir wissen beispielsweise, dass die Atomkraftwerke wegfallen werden, die wir durch möglichst viel Zubau an erneuerbarer Energie im Inland kompensieren müssen. Wir werden Dekarbonisieren, das heisst Mobilität und Wärme werden elektrisch, da braucht es noch mehr. All dies muss umgebaut werden: so müssen die Netze entsprechend umgerüstet werden.

Die Welt hinter der Steckdose verändert sich. Wie müssen nun schauen, dass dies alles stattfindet: Die Geschwindigkeit, wie wir derzeit zubauen – wir brauchen einen zehnfachen Ausbau der heutigen Erneuerbaren – ist viel zu langsam. Wenn wir es schaffen, kriegen wir die Welt hinter der Steckdose in den Griff. Das müssen wir.

Damit können wir sicherstellen, dass auch in Zukunft der Strom aus der Steckdose fliesst. Die zunehmende Digitalisierung bringt Veränderungen mit sich. Wie verändert diese die Strombranche und die Stromproduktion?

Die heutige Stromproduktion und Stromwelt werden zunehmend dezentral und damit massiv komplexer. Früher war es eine überschaubare Anzahl grosser Kraftwerke, die Top-Down die Konsumenten bedient haben.

Heute sind es zahlreiche, unendlich viele auch kleine Produzenten, die die Konsumenten bedienen. Das geht nur mit Digitalisierung, das kann nicht mehr händisch gesteuert werden. Wir brauchen künstliche Intelligenz, automatisierte und digitalisierte Abläufe, um die zahllosen Produzenten – ob gross oder klein – mit den Konsumenten – ob gross oder klein – in Verbindung zu bringen; auch für das Netz, dass dies den Austausch in der Zukunft noch schafft.

Der Schlüssel dafür liegt in der Digitalisierung, weil das einen effizienten Ablauf ermöglichen wird. Benötigt es für den Einsatz neuer Technologien und die Umstellung auf erneuerbare Energien Anpassungen der bestehenden Stromnetze? Der Grundsatz sollte bekannt sein: Ohne Netz kein Strom.

Wir müssen Erneuerbare massiv zubauen in der Schweiz und diese kann nur mit Netz und nicht ohne Netz abtransportiert werden. Dafür müssen die Netze auch mitentwickelt, nachgerüstet, umgebaut oder sogar ausgebaut und verstärkt werden. Dies weil massiv mehr zusätzliche Produktion kommt.

Wir sprechen von einem Elektrifizierungsgrad von 1.4 in der Schweiz für die nächsten Jahrzehnte, das müssen die Netze dann managen können. Die Digitalisierung wird ein Treiber sein, wird möglich machen, dass die Netze flexibler werden, damit sie auch volatile Produktion auffangen können und dies managen können. In Bruchteilen von Sekunden gilt es, die richtige Antwort vom Produzenten zum Konsumenten zu finden.

Zusammengefasst: Wo liegen die Herausforderungen für die Versorgungssicherheit der Schweiz? Es sind verschiedene Herausforderungen: Die grösste, wichtigste und dringendste Herausforderung ist das Klima.

Wir müssen CO2 massiv aus dem System rausbringen. Dazu gibt es ein Rezept: Jede erneuerbare Kilowattstunde zählt. Wirklich jede. Wir stellen fest, dass der Zubau der Erneuerbaren zu langsam geht. Es bräuchte 100 Jahre mit dem heutigen Tempo, wir haben maximal 30 Jahre.

Alle Projekte – mit Ausnahme der Photovoltaik – sind im Moment blockiert. Wir müssen als Gesellschaft überlegen, ob wir uns diese Blockaden leisten können.

Erneuerbare Produktion ist gut fürs Klima. Ein gutes Klima ist gut für die Biodiversität, ein schlechtes Klima schlecht für die Biodiversität. Das ist ein wichtiger Grundsatz.

Weiter müssen wir schauen, dass wir unsere Importabhängigkeit nicht noch zusätzlich erhöhen, das wäre ein strategischer Nachteil für den Standort Schweiz. Zudem müssen wir schauen, dass wir die Energieeffizienz massiv erhöhen, nicht nur auf der Produktionsseite, sondern auch auf der Konsumseite, um die Zunahme des Strombedarfs abdämpfen zu können. 

Zuletzt brauchen wir gute Beziehungen zu Europa. Wir brauchen ein bilaterales Stromabkommen, um die Netzstabilität, die Stabilität des Systems sicherstellen zu können.

 

 


Energieversorgung Deutschland, direkte oder indirekte Energieströme und -Bedarfe
Auch ohne Erdgas aus Russland.