Europäisches Stromsystem, Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien in Europa im Jahr 2050
Transformation für Deutschland.

Europäisches Stromsystem, Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien in Europa im Jahr 2050.


Dieser Bericht fasst die wichtigsten Ergebnisse einer Studie über mögliche Entwicklungen des europäischen Stromsektors für die Jahre 2020 bis 2050 zusammen. Er wurde von McKinsey & Company, Inc. erstellt und unterstützt von verschiedenen akademischen Instituten.

Ziel dieses Berichts ist es, eine faktische Grundlage für Diskussionen über europäische und nationalen Energiemasterplänen zu liefern. Die zugrundeliegende Studie baut auf verschiedenen Szenarien auf, um die Auswirkungen des Erreichens der kürzlich von der Europäischen Union vorgeschlagenen Emissionsreduktionsziele (z.B. Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf 80 Prozent unter das Niveau von 1990 in Europa bis 2050) sowie das Erreichen eines Anteils von 80 Prozent erneuerbarer Energien an der europäischen Stromerzeugung im Jahr 2050 abzubilden. Daraus wurden Kernaussagen für Europa und insbesondere für Deutschland abgeleitet.

Der Bericht befasst sich nicht mit spezifischen Politikentscheiden, politischen Plattformen oder Regierungsinteressen. Stattdessen bietet er eine objektive, faktenbasierte Analyse, welche die Szenarien als Ausgangspunkt für die Diskussion und Einigung der Beteiligten über die beste Art und Weise, den Europas Übergang zu einem kohlenstoffarmen Stromsystem zu realisieren.

Stromnachfrage und -versorgung.


Der Umbau des europäischen Stromnetzes hat begonnen und wird noch viele Jahre andauern. Die europäische Stromnachfrage und das Stromangebot verändern sich. Die derzeitigen Transformationspfade in Europa und Deutschland führen zu unnötig hohen Kosten. Eine kostenoptimale Transformation erfordert ein koordiniertes europäisches Handeln, und insbesondere Deutschland muss seine Optionen für die Transformation seines Stromsektors in einem europäischen Kontext überdenken.

Die Studie weist drei kostenoptimale europäische Pfade bis 2050 im Vergleich zu aktuellen Entwicklung des Stromsektors aus. Die Entwicklung des europäischen Stromsektors bis zum Jahr 2020 ist weitgehend vorgegeben durch die Verpflichtung der Europäischen Union, eine Reihe von Nachhaltigkeitszielen zu erreichen.

Diese Ziele sind als die "20-20-20-Ziele" bekannt. Sie sehen eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen der EU um mindestens 20 Prozent unter das Niveau von 1990, ein Anteil von 20 Prozent des Energieverbrauchs der EU aus erneuerbaren Quellen und eine 20-prozentige Reduzierung des Primärenergieverbrauchs im Vergleich zu den prognostizierten Werten durch Verbesserung der Energieeffizienz. Angesichts der Fortschritte der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten auf dem Weg zu diesen Zielen, geht die Studie davon aus, dass die Ziele erreicht werden.

Für 2050 haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und der G8 das Ziel angekündigt, die Treibhausgasemissionen auf mindestens 80 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken, wenn andere Teile der Welt ähnliche Anstrengungen unternehmen. Der europäische Energiesektor müsste einen noch größeren Beitrag mehr als andere Sektoren zu diesen Zielen beitragen und seine Treibhausgasemissionen auf mehr als 95 Prozent unter das Niveau von 1990 senken.

Aus rein technischer Sicht können diese Ziele für 2050 erreicht werden können. Allerdings erfordert die Umwandlung in ein kohlenstoffarmes System jedoch, dass sich die europäische Energielandschaft grundlegend ändert.

Für wettbewerbsfähige Strompreisen ist es von größter Bedeutung, dass die Transformation auf einem optimalen wirtschaftlichen Pfad folgt. Um die wichtigsten Herausforderungen und Auswirkungen dieses Wandels für den europäischen Stromsektor von 2020 bis 2050 zu verstehen, wurde die Bewertung auf drei Szenarien abgestellt.

Im ersten Szenario erreicht Europa eine 95-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Stromsektor im Jahr 2050 gegenüber dem Stand von 1990. Im zweiten Szenario erreicht Europa bis 2050 zwei Ziele: eine 95-prozentige Verringerung der Treibhausgasemissionen im Stromsektor und ein zusätzliches Ziel von 80 Prozent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Zum Vergleich wurde ein drittes Szenario definiert, für das weder Treibhausgasemissionsziele noch vordefinierte Ziele für erneuerbare Energien nach 2020 festgelegt werden.

Alle drei Szenarien gehen von einer europaweiten kostenoptimalen Investitionslogik aus. Die aktuelle Entwicklung der Stromwirtschaft in Europa folgt jedoch nicht dieser Optimierungslogik. Daher wurden die Abweichungen zwischen den kostenoptimierten Szenarien und der Ausweitung des derzeit verfolgten Pfades auf der Grundlage von nationalen Aktionsplänen für erneuerbare Energien definiert. Die folgenden Erkenntnisse fassen die wichtigsten Ergebnisse der Analyse zusammen.

Grundlegende Veränderungen der europäischen Stromnachfrage und Versorgung: Das Erreichen der Ziele für Emissionen und erneuerbare Energien wird die Entwicklung des europäischen Stromsektors erheblich beeinflussen und sich auf die Weiterentwicklung des europäischen Stromsektors auswirken.

Vier Schlüsselentwicklungen scheinen am wichtigsten zu sein.


Die Stromnachfrage wächst bis 2050 um 40 Prozent. Um Emissionsminderungsziele zu erreichen, müssen alle CO2 emittierenden Sektoren erhebliche Verbesserungen vornehmen (z. B. Effizienzsteigerung). Und viele werden von primären, kohlenstoffhaltigen Brennstoffen auf elektrische Energie umstellen (z. B. Elektrofahrzeuge im Verkehr).

Infolgedessen wird die europäische Stromnachfrage bis 2050 von 3.500 TWh im Jahr 2020 auf 4.900 TWh steigen. Steigender Strombedarf durch Brennstoffwechsel und die Durchdringung neuer Technologien (z. B. Wärmepumpen) überwiegt die sinkende Nachfrage durch höhere Energieeffizienz, auch wenn Energieeffizienzmaßnahmen von etwa 2 Prozent pro Jahr angenommen werden. Der Nettoeffekt ist ein durchschnittliches Wachstum der Stromnachfrage von 1,1 Prozent pro Jahr von 2020 bis 2050. Auch wenn diese Rate unter dem 1,5 Prozent Nachfragewachstum pro Jahr zwischen 1990 und 2007 liegt, ist es wichtig zu erkennen, dass die Abhängigkeit Europas von elektrischer Energie nicht ab-, sondern zunehmen wird.

Erneuerbare Energien und möglicherweise die Kernenergie werden im Laufe der Zeit Kohle und Gas ersetzen. In den "grünen" und "sauberen" Szenarien würde die konventionelle kohle- und gasbefeuerte Stromerzeugung mit der Zeit fast verschwinden und durch erneuerbare Energien (einschließlich Wasserkraft) oder

Kernenergie ersetzt werden. Die derzeitigen Neubautätigkeiten im Bereich der Kernenergie sind begrenzt, wären aber in einem "sauberen" Szenario unerlässlich, um die Emissionsziele auf kostenoptimale Weise zu erreichen.

Kohlenstoff: Abscheidung und -Speicherung (CCS) kann allenfalls eine gewisse Rolle als Brückentechnologie in ausgewählten Märkten des Stromsektors einnehmen. Wasserkraftwerke und GuD-Kraftwerke gewinnen besondere Bedeutung als relevante Speicher- und kostengünstige Backup-Kapazitäten. Wie bereits in der Vergangenheit zu beobachten war, spielen CCS-basierte fossile Technologien, d.h. Gas und Kohle, eine bedeutendere Rolle im zukünftigen Stromerzeugungsmix, allerdings mit deutlich niedrigeren Preisen.

Entkopplung von Angebots- und Nachfrageregionen.


Mit einem zunehmenden Anteil an erneuerbaren Energien werden Stromerzeugungszentren zu den attraktivsten Regionen in Süd- und Nordeuropa, im Nord- und Südeuropa sowie dem Nahen Osten und Nordafrika (z. B. das Projekt Desertec 13), wenn ein kostenoptimaler Weg eingeschlagen wird. So werden die derzeitigen Selbstversorger- oder Exportregionen mit energieintensiven Industrien wie Mitteleuropa zunehmend von Importen abhängig werden.

Der derzeitige Preismechanismus auf dem Strommarkt wird wahrscheinlich versagen. Die zunehmende Marktdurchdringung der intermittierenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf dem europäischen Strommarkt wird wahrscheinlich zwei Auswirkungen haben. Erstens wird die Volatilität der Strompreise erheblich zunehmen. Zweitens werden mit zunehmendem Anteil erneuerbarer Energien die durchschnittlichen Betriebskosten und damit die Erzeugungskosten sinken. Die Analysen der Studie zeigen, dass die durchschnittlichen Grenzkosten der Erzeugung unter die vollen Erzeugungskosten fallen werden. Das bedeutet, dass die Stromerzeuger nicht mehr ihre vollen Kosten erwirtschaften und bei den derzeitigen Vergütungsregelungen nicht mehr investieren werden. 

Diese würde eine Bedrohung für die Zuverlässigkeit des Stromsystems darstellen. Daraus folgt, sehen wir die Notwendigkeit, die derzeitigen Vergütungsregelungen im Stromsektor grundlegend zu ändern Stromsektor, um eine ausreichende Unterstützung für bestehende Kraftwerke und Investitionen in neue Kraftwerke zu Sicherungszwecken.

Der derzeitige Transformationspfad Europas mit Verringerung der Emissionen und der Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien führt zu unnötig hohen Kosten. Bei kostenoptimaler Umsetzung und mit europäischem Fokus würden die Gesamtsystemkosten im "grünen" Szenario um etwa 15 Prozent höher als im dem "schlanken" Szenario. Der Weg, den Europa derzeit beschreitet, weicht jedoch deutlich vom kostenoptimalen Weg ab und führt zu zusätzlichen Gesamtsystemkosten von 30 bis 35 Prozent zusätzlich zum "grünen" Szenario.

Deutschland muss seine Optionen für die Umgestaltung des Stromsektors überdenken.

Quelle 05/2022

 





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