Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat zu einem kurzfristigen Preisanstieg beim Gas
geführt, könnte aber langfristig zu einer nachhaltigen Entwicklung führen.
Energiewende International - die Verlockung billiger russischer Energie gehört der Vergangenheit an.
Am 22. Februar 2022 hat Deutschland die Genehmigung für eine neu zu bauende
Gaspipeline aus Russland zurückgezogen. Geplant ist nun den Import von
Flüssigerdgas aus Ländern wie Katar und den Vereinigten Staaten. Belgien
überdenkt seinen Ausstieg aus der Kernenergie. Italien, die Niederlande und das
Vereinigte Königreich werden ihre Anstrengungen zur Installation von
Windkraftanlagen verstärken. Einunddreissig Länder in aller Welt haben sich
bereit erklärt, Öl aus ihren strategischen Reserven freizugeben.
Russlands unprovozierter Einmarsch in der Ukraine hat die Energiemärkte und die
Geopolitik durcheinander gebracht. Die Öl- und Gaspreise sind auf den höchsten
Stand seit fast einem Jahrzehnt. Viele Länder sind gezwungen, ihre
Energieversorgung zu überdenken. Nach Angaben der Internationalen
Energieagentur ist Russland der weltweit größte Ölexporteur auf den Weltmärkten.
Sein Erdgas versorgt die europäische Wirtschaft mit Energie. Die Vereinigten
Staaten, die Europäische Union und andere Länder haben Wirtschaftssanktionen
gegen Russland verhängt. Viele Staaten haben angekündigt, sich von den fossilen
Brennstoffen zu verabschieden. Doch selbst während Russlands Bomben auf die
Ukraine niederregnen, fließen sein Öl und Gas weiter in westliche Länder.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine russische Militäraggression die Staats- und Regierungschefs der Welt dazu veranlasst, sich um die Energiesicherheit zu sorgen. Ähnliche Bedenken kamen auf, als Russland 2008 in Georgien einmarschierte und 2014 in die ukrainische Krim eindrang und sie anschließend annektierte. Die Verlockung billiger russischer Energie hat sich in der Vergangenheit als gross erwiesen. Aber dieses Mal könnte es anders sein. Die größte Frage ist, wie die Staats- und Regierungschefs der Welt ihre Energieabhängigkeit von Russland beenden können. Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich waren die ersten großen Länder, die ein Verbot für russisches Öl verhängt haben. Aber keines der beiden Länder ist stark von diesen Importen abhängig. Außerdem sind die Auswirkungen solcher Maßnahmen minimal, da Russland das Öl einfach auf dem Weltmarkt umleiten kann. Ein Embargo würde nur funktionieren, wenn sich die EU daran beteiligen würde. Denn für Russland wäre es schwierig, schnell neue Kunden für das Öl und Gas zu finden.
Die EU importierte 2019 rund 40 % ihres Erdgases, mehr als ein Viertel ihres Erdöls und etwa die Hälfte ihrer Kohle aus Russland. Und trotz der kühnen Versprechungen, die Beziehungen zu Russland zu kappen, haben sich die europäischen Länder bisher für einfache Energie entschieden. Allein im März hat Europa rund 22 Milliarden Euro (24 Milliarden US-Dollar) für Öl und Gas nach Russland geschickt. Doch das könnte sich in den kommenden Monaten ändern, wenn die Länder Pläne zur Diversifizierung ihrer Energiequellen umsetzen und die russischen Öl- und Gaslieferungen reduzieren. Polen zum Beispiel hat angekündigt, bis Ende dieses Jahres alle Importe von russischem Öl, Gas und Kohle zu verbieten, und Deutschland und Österreich bereiten die Rationierung von Erdgas vor. Die Europäische Kommission hat Pläne veröffentlicht, die Importe von russischem Gas bis Ende des Jahres 2022 um etwa zwei Drittel zu reduzieren. Diese Strategie stützt sich weitgehend auf die Erhöhung der Erdgaseinfuhren aus dem Ausland.
Neues Flüssigerdgas für Europa?
Am 25. März 2022 versprach US-Präsident Joe Biden, mehr Flüssigerdgas nach
Europa zu liefern. Deutschland hat bereits einen Vertrag über die Einfuhr von
Flüssigerdgas aus Katar unterzeichnet. Auch von Japan und Südkorea soll
Flüssigerdgas eingeführt werden. Der Plan der Kommission zielt darauf ab, 101,5
Milliarden Kubikmeter russisches Gas bis Ende des Jahres zu ersetzen. Davon
könnten Importe aus anderen Ländern fast 60 % ausmachen. Weitere 33 % sollen
durch neue erneuerbare Energieerzeugung und Maßnahmen zur Energieeinsparung
entstehen.
Besonders akut ist die Energiekrise in Deutschland. Hier werden etwa die Hälfte
des Erdgases und der Kohle und mehr als ein Drittel des Erdöls von Russland bezogen.
Die Herausforderung für Deutschland ist, die Abhängigkeit von Erdgas im Stromerzeugungssektor
zu verringern. Dies in einer Zeit, wo das Land den Ausstieg aus der Kernenergie
vollziehen will. Die letzten drei Kernkraftwerke sollen in diesem Jahr
abgeschaltet werden.
Die langfristigen Auswirkungen auf die Energiepolitik und die
Treibhausgasemissionen in Europa könnten positiv sein. Dies obwohl die nächsten
Jahre schwierig würden. Längerfristig soll aber der Anteil der erneuerbaren
Energien im Stromsektor von heute rund 40 % auf 100 % im Jahr 2035 erhöht werden.
Eine anhaltende Periode hoher Energiepreise für fossile Energien könnte zu
erheblichen Investitionen in die Energieeffizienz führen. Energieeffizienz ist
ein Bereich mit hohem Potenzial, der bisher weniger Beachtung gefunden hat als
die erneuerbaren Energien.
Energiewende global.
In globaler Hinsicht ist das Energiebild weniger klar. Wenn
die Öl- und Gaspreise in der Vergangenheit in die Höhe schnellten, führte dies
zu einer Reihe von Veränderungen in entgegengesetzte Richtungen. Es wurde weniger
Auto gefahren und man wechselte auf sparsamere Modelle. Die aktuelle Krise wird
möglicherweise nicht die gleiche Reaktion auslösen.
Auf der Verbraucherseite verändert sich die wachsende Kluft zwischen reichen und ärmeren Menschen. Hier wird sich in vielen Ländern das Verhalten beim Autokauf ändern. In reicheren Ländern wird eine massive Verlagerung hin zu kleineren oder elektrischen Fahrzeugen erwartet. Menschen, die in der Regel neue Fahrzeuge kaufen, sind wohlhabender als in den vergangenen Jahrzehnten. Während Leute in ärmeren Ländern sich nur ältere Benzin- und Dieselfahrzeuge leisten können.
Die großen Öl- und Gasunternehmen haben ihre Investitionen in die Produktion fossiler Brennstoffe nicht erhöht. Die Unternehmen sind nun vorsichtiger, wenn es darum geht, ihr eigenes Kapital in Anlagen zu stecken, die bei einer künftigen Verschärfung der Klimapolitik verloren gehen könnten. Doch: Auch wenn der Krieg in der Ukraine die Abkehr Europas von fossilen Brennstoffen wahrscheinlich beschleunigen wird, könnte er den Übergang zu sauberer Energie in anderen Teilen der Welt verlangsamen. Damit würden weltweit die Treibhausgasemissionen in die Höhe getrieben.
Insbesondere Südostasien könnte sich wieder der Kohle zuwenden, wenn Europa den internationalen Markt für Flüssigerdgas effektiv abschottet. Russland selbst, das im Jahr 2020 für fast 5 % der weltweiten Emissionen verantwortlich war, wird vermutlich ohne internationales politisches und wirtschaftliches Engagement keine Fortschritte bei der Dekarbonisierung machen. Steigende Energiepreise und der potenzielle Verlust von Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland könnten die inflationären Auswirkungen verstärken und die Preise für Lebensmittel und andere Rohstoffe in die Höhe treiben. Die Kosten steigender Benzin- und Strompreise könnten aber für das gesamte Lebensmittelversorgungssystem beträchtlich sein.
Die USA und Ölförderung.
Die Politik der Republikaner stütze seit jeher die Ölindustrie in Amerika. Ausgelöst durch die Ukrainekrise hoffen viele Ölproduzenten in Amerika, dass die Nachfrage wieder steigt. Auch der US- Bundesstaat North Dakota lebt von der Ölförderung. Die Lobby ist mächtig.
Andere Kräfte im Staat wollen dagegen in erneuerbare Energien investieren. Der Bundesstaat im Norden der USA wie geschaffen für alternative Energien. es gibt weite Flächen, über die der Wind braust, ideal für Windkraft-Anlagen. Eine Gruppe Nativer Americans experimentiert derzeit großflächig mit Solarenergie. Doch die Vorbehalte gegenüber erneuerbaren Energien sitzen tief.
Wie geht es weiter in North Dakota? Findet der Staat den richtigen Weg in die Energiezukunft?